Nach über 24 Stunden Zugfahrt bin ich froh an der Luft zu sein. Die Nacht war saukalt durch die Klimaanlage. Ich habe alles angezogen was ich hatte, eine Decke war für mich nicht mehr übrig, da waren die anderen schneller. Das war eine Fahrt von der Dauer eines Australienfluges, nur das die Fluggäste besser sitzen. Ich habe das Gefühl, um eine gute Erfahrung reicher zu sein, und finde schon beim Aussteigen, dass es sich gelohnt hat. Unbequem und ungewohnt war vieles, aber ein chinesisches Sprichwort sagt, mit wenig Disziplin erreicht man wenig, mit viel Disziplin auch sehr viel. Ich habe mich häufig zur Selbstdisziplin aufgerufen. Das, und die Achtsamkeit auf den Moment sind immer wieder ideale Möglichkeiten, auch Schmerzen zu überwinden, die ich durchaus im Rücken und in den untergeschlagenen Beinen hatte.
Die anstürmenden Taxifahrer wimmle ich ab. Ich will erst in Ruhe Kaffee trinken. Auftauen. Auch zu einer Kaffebude wollen sie mich schleppen. Ich bleibe einfach stehen. Dann bitte ich sie höflich ihren Job zu tun und zeige auf die ankommenden Zuggäste. Das wirkt. Nun trinke ich zwei Tassen von dem leckeren vietnamesischen Kaffe, der für mich unbedingt zu den besten Kaffees der Welt gehören muss. Ein Mopedtaxifahrer drängelt sich auf, setzt sich mit an den Tisch. Er will 50.000 bis zum Hotel. Ich schüttle den Kopf und er ist bei 40.000. Dann erzähle ich ihm, dass ich in Saigon für 32.000 die doppelte Strecke gefahren bin – mit dem Taxi. Er zieht ab. Ich stelle einen Unterschied zu Indonesien fest. Merkt dort jemand, dass man die Preise kennt, dann lacht er. „Ah, You know the prices, OK. You know Indonesia, good Mistä.“ Die Situation ist bereinigt. Die Vietnamesen ziehen beleidigt ab und man wartet nur noch auf den erhobenen Stinkefinger und ein „Fuck You“. Womit ich nicht sagen will, dass sie insgesamt unfreundlich wären, nein, ganz sicher nicht. Das Geschäftsgebaren ist ein anderes.
Ich laufe über den Bahnhofsvorplatz und halte nach einem Meter-Taxi Ausschau, da sehe ich einen Minibus mit dem Namen meines Hotels auf der Heckscheibe vor mir. Binh Duong. Ich frage, ob das ein Hotelfahrzeug ist, und ob sie mich mitnehmen. Es klappt. Ich komme kostenfrei zum Hotel und mein heimlich gereckter Stinkefinger gilt allen Mopedtaxi- und Taxifahrern am Bahnhof von Hue.
Im Hotel hat man angeblich meine E-Mail, mit der ich angekündigt hatte einen Tag später erst anzukommen, nicht erhalten. Den einen Tag hinten anhängen, das geht nicht. Gebucht ist gebucht. Kleinlich. Aber ich bin froh, dass die mich überhaupt noch im Plan haben. Bei 8 EUR Übern./Frühst. kann ich den Verlust der einen Nacht verschmerzen.
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Blumen für den Kommunismus |
Um Mitternacht ist ein großes Feuerwerk am Parfümfluss. Das möchte ich mir ansehen. Gegen 18 Uhr gehe ich los. Ich drehe eine große Runde durch die Hotel- und Restaurantgegend, etwa 2 km entfernt. Dort laufen die meisten Besucher der Stadt herum, im Travellerviertel sind derzeit nicht sehr viele. Es nieselt. Die vielen Stände, die schon für die große Sause am Park aufgebaut sind, müssen mit Planen abdecken. Das ist wirklich schade. Ich ziehe meinen Regenumhang über und gehe zurück. Kurz vorm Hotel kaufe ich noch zwei Flaschen Da Lat Wein für zusammen 5 EUR. Wo trinkbarer Rotwein so günstig ist, da verzichte gerne mal auf Bier. Zum Abendessen gehe ich zum Inder um die Ecke und bestelle die „Spezialität von Omar“, ohne zu wissen um was es sich handelt. Zu meiner Überraschung bekomme ich eines meiner Lieblingsgerichte aus indischer Küche: Hariyali Chicken Tikka. So gut, dass ich es dem Chef noch persönlich sagen muss, wie sehr er meinen Geschmack getroffen hat.
Masala-Papadam, das in Spinatmarinade gebackene, beste Hähnchenfleisch, ein spezieller Saffranreis mit verschiedenen Gemüsen, zwei große Tiger-Bier und ein wunderbarer Kaffee kosten am Ende zusammen 9,- EUR. Das könnte mein Stammlokal werden für die nächsten Tage. Platz für ein wenig lokales Seafood, Shrimps und Tintenfisch wird trotzdem noch sein.
Ich gehe auf´s Zimmer und nehme mir vor, kurz vor Mitternacht zum Feuerwerk an den Fluss zu gehen. Um Mitternacht werde ich vom Böllern des Feuerwerks wach. Verpasst.
Ich schaue zur Geräuschkulisse des 15 Minuten dauernden Feuerwerks von Hue die TV-Livebilder des Saigoner Spektakels. Manchmal ist es sogar synchron.
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