Donnerstag, 19. Januar 2012

Ein Tag in der Stadt

Habe gestern noch für zwei Tauchschüler mit der Schwimmbadausbildung zum Open Water Diver begonnen. Die beiden sind allerdings schon nach dem ersten Ausbildungsmodul nicht wieder aufgetaucht. Hängt sicher mit den extremen Downstreams zusammen, die es plötzlich im Schwimmbad gab. Allerdings handelte es sich nicht um ein Naturphänomen, sondern um den üblichen Sog einer Wasserspülung.
Meine Kandidaten waren ziemlich ausgewachsene 10 cm Kameraden der Gattung Blattodea, der gemeinen Küchenschabe. Allerdings war ich noch gemeiner. Denn wenn so etwas auf dem Schreibtisch herumläuft oder am Duschvorhang, dann greife ich ein. Hab´ sie mit der Badematte gegriffen und dann, wie gesagt, die Ausbildung mit ihnen begonnen. Im Hotel ist es wirklich sehr sauber. Dass die Krabbler hier rumrennen ist dem Personal nicht zuzuschreiben. Die Tiere werden auch in die 4 und 5 Sterne Herbergen hineinlaufen, ohne an der Eingangstüre nach den jeweiligen Sternen zu schauen.
Zum Frühstück esse ich Phó mit Beef. Auch gut, aber nicht annähernd so lecker wie sie Suppe gestern bei Phó 24. Ein kanadischer Traveller nimmt sich gleich zwei von den großen Suppenschüsseln. Angesichts seiner völlig zerfetzten Jeans frage ich mich, ob das vom Reisen kommen kann. Aber wie reist er dann? Muss so eine Art Pilgerreise sein, bei der man sich immer lang auf den Boden wirft. Wahrscheinlich sind die Risse und Löcher aber sehr teuer „hineindesigned“ worden, in die Hose. Bei seinem Kumpel schaut der Reisepass zur Hälfte aus der Gesäßtasche. Daher weiß ich, dass es Kanadier sind. Risiko. Ein Chinese pfeift eine Gruppe Frauen zusammen, weil sie ihm zu laut sind. Vier Männer säßen hier beim Frühstück, von denen sei nichts zu hören. Aber sie würden schwätzen, dass einem kein Frühstück mehr schmeckte. Er übersieht, dass die vier Männer an drei Tischen sitzen und nichts miteinander zu tun haben. Die sieben jungen Frauen kommen von den Philippinen und haben einfach Spaß in der großen Stadt. Als in der Nacht die Truppe noch eine Fernunterhaltung über den Flur führen musste, hat mich das aber auch gestört. 

In den Großkaufhäusern ist meine Tagesaufgabe „Super-Kleber besorgen“ nicht zu erfüllen. Unglaublich. Wird hier nicht geklebt? In einem kleinen Laden für Schreibwaren(Stationary) werde ich fündig, als ich danach frage. Ich verstehe „fifty“ und halte einen 50.000-Dong-Schein hin. Dann bekomme ich 35.000 zurück, denn sie hat „fifteen“ gesagt. Das waren 0,60 EUR. Mal sehen, ob der Superkleber wirklich was leistet und meine Sandalen wieder mit der Sohle verklebt.
Im Ben Tành Markt wird man an jedem Stand angegrabbelt. „Sir, what are You looking for? I have!“ Ich fasse überall an, denn ich brauche ein Hemd. Aber die Sensoren in meinen Fingern signalisieren mir überall nur Plastik. Da mag ja überall 100% Cotton drinstehen, aber das kann sich dann nur auf das eingenähte Schildchen beziehen, nicht auf die Ware. Unzählige Stände mit Angeboten, der Bedarf meinerseits besteht, die Preise sind OK, aber dennoch kaufe ich nichts. Es ist tatsächlich alles minderwertiger Schrott. Hoffentlich behalten die Thais ihr Grundverständnis von Qualität noch möglichst lange. Dann bleibt wenigstens Bangkok noch ein lohnendes Einkaufsziel für Klamotten.
Bei dem gut aussehenden, charmanten Franzosen, der jede hereinkommende Dame freundlich hofiert und ihr nach kurzem Plausch zu dem gekauften Baguette noch ein Tütchen mit selbstgebackenen Süßigkeiten schenkt, trinke ich Kaffee, esse Durian-Eiscreme und kaufe auch ein Baguette. Der Chef bringt mir auch ein paar Leckereien an den Tisch. Wie beim damaligen Besuch sitzt er wieder an seinem Tisch und macht die Buchführung. Nett. Da viel Vietnamesen gerne französisch sprechen um besonders vornehm zu wirken, wie in Deutschland zur Zeit der Preußenkönige üblich, ist eine Stammkundschaft dem kleinen Laden sicher.

Heute ist es passiert. Genau so wie beim letzten Mal, als ich mit meiner Frau hier war.
Beer o´clock ist ausgehebelt worden. Zum ersten Mal auf dieser Reise trinke ich vor 17 Uhr Bier. Nach fast drei Stunden Stadtlaufen bei 30 Grad sitze ich um 12:05 Uhr an der Theke des Lion-Bräuhauses. Der frisch gezapfte halbe Liter, im eisgekühlten Glas aus der Gefriertruhe, steht vor mir. So muss es im Himmel sein.

Schiffsmodelle in Saigon
Eine der selten zu widerlegenden Erkenntnisse in der globalisierten Reisewelt ist die Behauptung, dass Traveller stinken. Ja, manchmal lässt es sich nur schwer vermeiden und bei mir ist es jetzt so weit. Habe noch ein sauberes Hemd bis Hue. Erst dort kommt dann alles in die Wäscherei. Zur Abholung des Visums morgen kann ich mich noch ordentlich kleiden. Ich will ja nicht in letzter Sekunde noch alles vermasseln mit den Indos. Wenn im Zug der Platz neben mir aus den vorgenannten Gründen frei bleiben sollte, dann kann ich damit leben. Aber die Plastikwäsche hier kaufe ich ums Verrecken nicht.

Das Straßensystem in der Innenstadt Saigons habe ich inzwischen durchschaut. Verlaufen ist kaum noch möglich, selbst im Dunkeln nicht. Allerdings mache ich als Fußgänger doch noch Fehler. Heute bin ich am Zebrastreifen vor dem Rex-Hotel, der über eine nur wenig befahrene Straße neben einem Park führt, im falschen Moment losgelaufen. Genau zeitgleich starteten nämlich die Linksabbieger, die in diese Straße einbiegen wollten. Und ausnahmslos alle nahmen mich ins Visier. Entweder direkt, oder sie versuchten mich bewegungsunfähig zu halten in dem sie mir den Platz für auch nur einen weiteren Schritt nahmen. Zum rettenden Bürgersteig waren es zu beiden Seiten nur 3 bis 4 Meter, und doch so unerreichbar. Wer in der Spur war, die direkt auf mich zielte, gab trotzdem unvermindert Gas, obwohl ich da den Torrero gab. Ausweichen war ja auch kaum möglich, denn rechts und links von ihm war ja auch alles in Bewegung. Als jemand registriert, dass er mich nicht umfahren sondern nur noch umfahren kann, geht er tatsächlich vom Gas und bremst. Zu spät. Zum Halten bringe letztendlich ich ihn, mit beiden Händen an seinem Scheinwerfer. Er stammelt ein „Sorry", doch die Situation ist dadurch noch nicht bereinigt. Dadurch, dass kein Mensch vorausschauend fährt – normalerweise wäre seit 20 m zu sehen gewesen, dass da einer auf dem Zebrastreifen nicht mehr vor und zurück kann – müssen die Auffahrenden jetzt auch scharf bremsen, bzw. in den Fahrweg der anderen Fahrer hineinziehen. Es entstehen die wildesten Aktionen. Beinahezusammenstöße und das knapp vermiedene Abfahren meines Rucksacks, aber Rücknahme von Gas oder Betätigen der Bremse bleiben absolutes Tabu für die Mopedrocker. Klar, alles mein Fehler. Ich habe den Fluss erheblich gestört. Aber der Fluss lässt sich nicht stören. Das würde ja Stillstand bedeuten und damit kommt man hier nicht klar. Man fährt lieber einen Fußgänger um und dann über ihn rüber. Das ist wie das Überfahren einer Straßenwelle. Es macht einmal Hupp, aber man muss wenigstens nicht bremsen. Denn Bremsen ist die eigentliche Störung im Fluss. Nicht die rotierende Person auf dem Fußweg, die es irgendwann dann doch noch auf die rettende Seite schaffen konnte. 

Model eines historischen Seglers

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