Ich habe richtig geplant. Das Hotel Hong Vy ist tatsächlich nur knappe 10 Fußminuten von der Indonesian Embassy entfernt. Um 8 Uhr stehe ich vor der Pforte. In Visaangelegenheit wird aber erst um 9 geöffnet. Gehe in einer kleinen Kaffebude starken Kaffee trinken und Eistee. Der kleine Filter mit Kaffe wird auf das Glas gesetzt und das Wasser läuft am Tisch durch. Ich verstehe kein Wort, als es ums Bezahlen geht. Englisch ist hier auch nicht angesagt. Ich halte eine Kollektion an Dongscheinen hin und die nette Dame zupft sich 15.000 raus ( 0,55 EUR). Das gut belegte, leckere Baguette hat gestern Abend 20.000 gekostet = 0,75 EUR. Für die köstliche 1 Ltr. Maß Schwarzbier am Massivholztresen des Lion-Brauhauses, dem vietnamesischen Ableger vom Löwenbräu, habe ich 3,20 EUR hinlegen müssen. Dafür gibt’s auf dem Oktoberfest nicht einmal den Schaum im Glas vom Billigbier. Leider ist der Programmgestalter im Brauhaus immer noch der gleiche Chaot wie im vorletzten Jahr. Überlauter Hardrock, der dröhnend durch den Saal hallt, passt nicht in ein Brauhaus-Restaurant. Bier trinken geht immer, aber wenn ich mir vorstellen sollte dort zu essen, dann denke ich, es würde mir vom besten Buffet nichts schmecken. Im Hotel hingegen ist es absolut ruhig. Auch im Haus selbst. Unvorstellbar. Ich bin einer Weltmetropole, an einer Hauptstraße nahe dem Zentrum, und habe ein Zimmer, in dem es bei Tag und Nacht bedeutend ruhiger ist als im Resort im Norden Balis. Solche Orte werden immer seltener zu finden sein. Irgendwann wird man für den Luxus der Stille viel Geld bezahlen müssen. Ich genieße sie sehr, diese Ruhe auf Zeit und das turboschnelle Internet im Zimmer, welches mir die weitere Reiseplanung mächtig erleichtert. Ach ja, ich wollte ja von der Botschaft berichten. Also nach dem Kaffee gehe ich wieder hin und pünktlich (!!!) um 9 kann ich mein Anliegen vorbringen. In der Hamburger Botschaft habe ich erlebt, dass bei Öffnungszeit 10 Uhr das Botschaftspersonal gegen 10:45 eintrudelt und um 11 mit der Arbeit beginnt. Ob hier keine Indonesier arbeiten, frage ich mich? Doch. Der Botschafter kommt auch vorgefahren im Mercedes S 320 (das muss er wohl sein, bei dem Auto). Auch er begrüßt mich höflich und fragt wie es mir geht. Als ich auf Indonesisch antworte, mit der Zusatzfrage „und selbst?“, ist er freudig überrascht und lacht. Mich interessiert es eigentlich überhaupt nicht, wie es ihm geht. Kenne den Mann ja gar nicht. Hauptsache mein Visum klebt bis Freitag im Pass, denn am Samstag will ich weiter mit dem Zug.
Ich zahle die 45 USD und bekomme den Abholbeleg für Freitag 10 Uhr. Bingo! OK, noch habe ich das Visum nicht, denn die gebuchten Flüge, von denen sie die Ticketkopien haben, passen nicht zu einem 60 Tage-Visum, da sie ausweisen, dass ich 72 Tage in Indonesien bleiben will. Aber, ich vertraue mal auf mein Glück. So, dann will ich mal herausfinden wo der Bahnhof liegt und ob ich da zu Fuß hinkomme um meine Zugfahrkarte nach Hue zu reservieren.
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3 ½ Stunden später
Ja, ich bin zu Fuß hingekommen. Nach dem ausgiebigen Studium des Stadtplans von Saigon im Internet (eine brauchbare Straßenkarte habe ich nicht), bin ich auf direktem Weg in ca. 1 Stunde hingelaufen. Dort ist alles erst einmal sehr verwirrend. Es sieht so aus, als müsse man eine Nummer ziehen und warten, bis die Ziffer am Ticketschalter erscheint. Allerdings stehen über diesem Schalter die einzigen beiden Hinweise in Englisch: Immediate Trains, und Urgent Reservations. Trifft beides nicht für mich zu, denn ich will in drei Tagen ja erst los. Fragen lohnt nicht, hier versteht keiner Englisch, die ausgewiesene Information ist nicht besetzt. Oben, in der 1. Etage sehe ich das Schild Booking Offices. Kommt der Sache schon näher. Allerdings ist die gesamte Etage wie ausgestorben. Die ca. 100 Sitze sind leer. In ein Büro bringt eine Dame das Mittagessen.
Ich schreibe alle Daten der gewünschten Reservierung noch einmal auf einen Zettel. Das ist besser, denn man versteht mich ja nicht, wenn ich sage was ich will. Dann gehe ich in irgendein Büro. Tatsächlich ist da jemand drin. Die Frau erzählt mir was, was ich nicht verstehe, aber sie schaut auch in den Computer. Das Ergebnis ist leider niederschmetternd, aber auch anhand der Gesten eindeutig: Es gibt keinen Platz mehr am Samstagabend im Nachtzug nach Hue. Weder Sitze noch Betten – voll das Ding.
Watt nu ? Sie sucht noch ein wenig und bietet mir einen Zug am Samstag in der Früh an 8:45 Abfahrt. Nach meiner Rechnung müsste ich damit mitten in der Nacht in Hue ankommen. Aber ich irre mich. Der Zug ist so langsam, dass es schon wieder Morgen ist. 9 Uhr Ankunft = Fahrzeit 24 ¼ Std. Ich wollte ja Zug fahren. Jetzt bekomme ich reichlich davon. Ich frage, ob ich die Fahrkarte mit USD bezahlen kann, aber das geht nicht. Sie schickt mich zum Ticketkauf in ein anderes Büro. Dort erfahre ich den Preis. Der ist fast doppelt so hoch, wie für den Schnellzug. Wie geht das? Die Erklärung ist akzeptabel. Es sind die üblichen Verteuerungen zum Chinesischen Neujahr, dem Tet-Fest. Darum ist auch alles voll. Jeder ist unterwegs, um in seine Heimatstadt zu kommen. Das Jubelfest selbst ist dann am 23.Januar. Für mich ein ganz besonderes Fest. Nach den chinesischen Sternzeichen bin ich als 1952 Geborener ein Drache, und das neue Jahr wird wieder ein Drachenjahr sein. Als Drache bin ich nach chinesischer Lesart sowieso schon mit den glücklichsten Attributen aller möglichen Sternzeichen ausgestattet, und jetzt auch das noch. Als Drache ins Jahr des Drachen feiern und dies unter Chinesen. Das muss ja ein besonders nettes Jahr werden. OK, das Ticket ist gekauft (863.000,- = 32,- EUR). Ich verliere einen Tag in Hue, aber ich will versuchen den hinten anzuhängen. Schreibe gleich mal an die Pension.
Bin eben gegen einen Stahlring dieser unsäglichen Gullideckel getreten. Die Mistdinger sind manchmal nur so ganz eben aufgeklappt, so dass man kaum sieht, dass sie nicht flach am Boden liegen. Und zack, dreimal darf man raten womit? Klar, genau mit dem linken dicken Zeh, wieder mal. Genau der, der sich am Abreisetag noch von seinem Zehnagel verabschieden musste. Der neue ist inzwischen etwa zu einem Viertel nachgewachsen und der Zeh ist immer noch sehr empfindlich. Warum treffe ich nur immer den, wenn was ist? Zuerst eine Gehwegplatte im Cilli Emas, dann ein kleiner Absatz in einem Zimmer, jetzt der Ring vom Gulli. Mein Freund Eric hat es richtig gut. Dem fehlt dieser Zeh nämlich. Das erspart so manchen Schmerz.
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Der Nachmittag / Abend
Nach 2 Stunden Mittagsruhe und einem Bad (!) in der Badewanne meines Badezimmers,
bin ich wieder auf der Straße. Der Zeh ist verarztet. Ganz in der Nähe sehe ich ein Bekleidungsgeschäft mit der Werbung: Sale 50%. Da gehe ich rein und schaue nach den Hosen. Ich finde tatsächlich eine. Die Qualität ist gut, aber leider ist sie etwas zu lang. Egal, ich kaufe die Hose für 15 EUR, ein Schneider der den Saum näht wird sich im Verlauf der Reise für einen weitern EUR auch noch finden. Die Straßenkehrer Saigons hocken gegen 17:15 auf den Gehwegen und bauen sich ihre Arbeitsgeräte neu. An die soliden Stöcke werden neue Zweigbüschel gebunden, dann kann es weitergehen. Gefegt wird auch im Dunkeln.
Meine Aufgabe für morgen heißt: Super-Glue finden. Mein Freund Bruno soll nicht Recht behalten mit seiner Prophezeiung vom letzten Sommer, dass meine Sandalen keine weitere Reise mehr überstehen.
Bei Phó 24, einer Kette für die regional unterschiedliche, typisch vietnamesische Suppe, habe ich Phó Gá gegessen, die Variante mit Huhn. Großartig! Das beigelegte Grünzeug, ein Stengel mit Blättern und zwei längliche Blätter mit gezahntem Rand, gibt der Suppe erst den besonderen Geschmack. Das Grün ist leicht bitter. Man träufelt ein paar Tropfen Limette in Suppenteller, wirft die Sprossen hinein und schmeckt mit Soja- und scharfer Soße ab. Fertig ist das Genussgericht. Das Hühnchenfleisch war reichlich und ausgesucht gut, die handgemachten Nudeln ein Gedicht. 1 a Abendessen für 1,90 EUR. Ich habe schon früher eine Phó-Gewürzmischung mit nach Hause genommen, aber an die Originale reicht das heimische Plagiat nicht annähernd heran. Was gibt es doch in Asien für leckere Sachen. Ich werde in der nächsten Zeit noch vieles ausprobieren, bevor die im Vergleich zum Rest des Kontinents eher gewürzneutrale Indoküche mich wieder langweilt. Das tolle in Indochina, Malaysia und Thailand ist ja, dass es überall auch Inder gibt. Man kann ständig wechseln und bekommt so viele verschiedene mundwässernde Gewürze zu schmecken, dass es eine wahre Wonne ist. Ich bin leider immer viel zu schnell satt. Manchmal esse ich auch nur einmal am Tag, weil einfach kein Bedarf vorhanden ist. Probieren würde ich als ausgewiesener Gewürzfan gerne viel mehr.
Als Bierfan schiebe ich noch eine Probe ein, dafür ist noch Platz. Ich trinke im Bräuhaus ein naturtrübes, bernsteinfarbenes Blondes. Das ist noch würziger als das Schwarzbier, es schmeckt mir noch besser. Ich erinnere mich an diesen Geschmack, wenn ich an die hausgebrauten Landbiere in Fanken und Bayern denke. Und das hier! Herrlich!
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Lion - Bräuhaus in Saigon |
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